• Peter P.Peters in Aktion

Tagesgedanken

entinnern

entinnern ist das gegenteil von erinnern.

 

Tagesgedanke 14.9.2020

Das gute, alte Telefon.

In dieser leider noch nicht "guten, alten" Pandemie-Zeit hatte

ich einige sehr intensive, lange Telefongespräche, durch die

mir die besondere Stellung des altmodischen Telefonierens

im Vergleich zu all den heutigen Formen, Systemen, Kanälen

der Kommunikation besonders klar geworden ist.

Ein Telefongespräch schafft einen unvergleichlichem Raum

der Nähe, Verbindung, Konzentration, Atmosphäre, worin die

Sprecher keineswegs nur mit und über Worte kommunizieren.

Sie gestalten gemeinsam-dialogisch auch Richtung, Rhythmus,

Tempo und Dauer des Gesprächs. Sie müssen gemeinsam das

Ende finden und vollziehen, wobei, ohne darüber zu reden, zu

klären ist, wer das letzte Wort hat. Durch das Hin und Her der Äuße-

rungen, die sich zu diesem Schlußpunkt hinauf- und/oder herunter-

schaukeln, wird das Gespräch zu einem Stück Musik.

 

 

 

A book is born

Zum Kinder kriegen bin ich zu alt, aber zum Bücher schreiben keineswegs. Doch dass ich mein erstes richtiges Buch erst mit 62 auf den Tisch bringen würde, hätte ich mir früher, wo ich es ja auch schon das ein oder andere Mal versucht und nicht geschafft habe, nicht träumen lassen.

Und es ist ja nicht nur mein Buch, sondern auch das von meinem besten Freund Andreas, denn von ihm enthält es 42 Zeichnungen, wunderbare, "buchstabenfreie" Zwischenspiele zu den über hundert Gedichten und fonesischen Dichtungen, über tausend Zeilen unterschiedlicher Art, die ich da zusammengestellt habe. Viele davon sind so geartet, dass der Titel "SCHRECKSCHRAUBEN SCHREIBEN VERSCHROBEN" irgendwie passt. Als Schreckschraube empfinde ich mich nicht unbedingt, aber eine gewisse Verschrobenheit ist den "monovoklischen Dichtungen" und "Maximalreimen" wohl nicht abzusprechen. Oder den "Lautklaubereien" wie zum Beispiel dieser:

 

AMRUM

In Amrum trank ich

sehr viel Rum.

Das war dumm,

denn ich fiel um.

Wisst ihr warum?

Es lag AMRUM.

 

Hier sind einige bibliographische Daten:

Titel: SCHRECKSCHRAUBEN SCHREIBEN VERSCHROBEN.

Untertitel: Fonesische Dichtungen und andere Gereimtheiten

von Peter P. Peters.

Ein Lese- und Bilderbuch mit buchstabenfreien Zwischenspielen

von Andreas Cochlovius.

86 Seiten, softcover, Querformat

Edition Pauer, 2014 Kelkheim

Satz, Layout und Gestaltung (mit großem Dank und Lob)

Stefan Stenzhorn

Mux-Produktion, Bingen.

ISBN-978-3-00-048166-6

Es kostet € 14,80 und ist bestellbar.

 

Bei der Betrachtung (m)eines Skeletts

Von unseren schönen Lust-Organen,

Vagina, Penis und Kumpanen,

ist nicht mal mehr was zu erahnen.

 

Dafür jedoch von Brustkorb und Kinn.

Das macht auch ein bißchen Sinn.

Viel mehr ist eben nicht mehr drin.

 

Der Schädel ist da, sein Inhalt nicht.

Vielleicht entstand dort dieses Gedicht.

Man weiß es leider nicht.

 

viel um die Augen

Er oder sie habe viel um die Ohren, sagt jemand, der sich gestreßt fühlt,

überfordert, überladen mit Ansprüchen, Terminen und to-do-Listen. Daß

jemand viel um die Augen habe, käme uns kaum in den Sinn und würde

auch keinen eingängigen Sinn ergeben. Das Hören ist viel näher an unserer

sozialen Natur als das Sehen. Wenn wir viel um die Ohren haben, hören wir

viele äußere und innere Stimmen, die etwas von uns wollen, und sei es nur

eine Antwort. Was wir sehen, kann dagegen leicht mit Distanz, Reserviertheit

und Gleichgültigkeit gesehen werden. Mit einer Stimme oder einer Musik, die

wir hören, ist dies ungleich schwieriger, sie kann viel direkter und unmittelbarer

unser Gefühl ansprechen.

Von unserer Zeit kann man scherlich sagen, daß die Menschen mehr um die Augen

haben als jemals zuvor. Wir werden in einem unglaublichen Maß von stehenden

und bewegten Bildern überflutet, von Bildern, die oft manipulierte und gezielt

abgefeuerte Botschaften sind. Geräusche und Töne können laut oder leise sein,

und wenn die Lautheit überhand nimmt, sprechen wir von Lärm und haben ein

zunehmendes Bewußtsein davon, daß dieser krank machen kann. Aber von einem

visuellen Lärm haben wir (noch) keinen Begriff, obwohl wir wahrhaftig viel um

die Augen haben.

 

Kontaktgarantie

Einmal bin ich schwach geworden und habe mich bei einer sogenannten Partnervermittlungsbörse eingeloggt. Kurz darauf hab ich mich, genervt von dieser blödsinnig boomenden Branche, wieder abgemeldet. Trotzdem kriege ich regelmäßig mails von allen möglichen anderen Anbietern dieser Art. Offenbar hat meine ursprünglich angeklickte Firma meine mail Adresse, bevor sie mich freundlicherweise in Ruhe ließ, schnell an alle möglichen anderen verkauft, um nicht ganz leer auszugehen und wenigstens ein bißchen Kapital aus dem Kontakt mit mir zu schlagen.

"Machen Sie es wie 20000 andere und lernen Sie C-Date ganz unverbindlich kennen", schreibt mir "C-Date". Und das sind "die Vorteile auf einen Blick":

1. "Anonym kultivierte Menschen kennenlernen" (also offenbar ohne die Kultiviertheit aufzubringen, mich persönlich und namentlich vorzustellen)

2."Stil, Niveau und Erotik in Symbiose" (wenn das nix ist! Der in der Natur mir bisher nicht bekannte Fall einer Symbiose im Dreieck - hier haben wir ihn, und die drei Standbeine des Beziehungsglücks schaukeln sich gegenseitig auf ungeahnte Hochebenen hinauf.

3. "Seriös und diskret" und 4. "Kontaktgarantie"

Garantiert werden diese Unternehmen mich weiterhin kontaktieren. Mich werden sie nicht unglücklich machen, aber 95 % derer, die sich darauf einlassen, garantiert. Das "Zwischenmenschliche" war ja schon immer ein nicht geheiligter Ort, wo der Mensch dem Mensch als Ware, als Ding, als Gegenstand von Ausbeutung und Konsum begegnete. Aber im Zeitalter der unbegrenzten medialen Kommunikation haben sich diese auf das Zwischenmenschliche selbst gestürzt, um es zu strukturieren und auszubeuten, indem sie den Kunden versprechen, ihr Bedürfnis nach liebevollem Kontakt zu befriedigen. Garantiert und in einer Symbiose von Adressenhandel, Menschenverachtung und Profitinteresse.

 

Fangprämie

"Ladendiebstahl lohnt sich nicht", lese ich auf einem großen Schild im Baumarkt.

"Jeder Diebstahl wird zur Anzeige gebracht. Wir verlangen außer Schadensersatz die Erstattung einer Fangprämie von 50 Euro".

"Fangprämie" ist ein köstliches Wort, bei dem man erst einmal ja an Fischfang oder das Einfangen von wilden Tieren denkt.  Aber in diesem Fall bekäme der Fänger die Prämie von seinem Auftraggeber! Im Baumarkt dagegen soll der Gefangene dem Fänger ein Honorar für sein Gefangenwordensein bezahlen. Das dürfte keine Rechtsgrundlage haben und nicht durchsetzbar sein, aber sicherlich eine gewisse Abschreckungswirkung haben. Zumal der den tatsächlichen Umständen entsprechende Text wohl lauten müßte: "Entweder du zahlst 50 Euro, oder wir zeigen dich an!" Aber das zu schreiben, wäre wohl unschön und politisch nicht korrekt, und es würde an Nötigung grenzen. Also wurde das Wörtchen Fangprämie ersonnen, um die Wahrheit nicht zu sagen, sondern sie zu bemänteln und wegzuheucheln, wie so manche Wörter, die wie Tor-Wächter vor die Dinge gestellt werden, um das Eindringen kritisch fragender Gedanken zu verhindern.

 

vor fast vierzig jahren

War heute überrascht und gerührt bei der Lektüre eines langen Briefs von mir als 20jährigem an meine Eltern. Geschrieben am 28. Januar 1973  aus dem Kinderheim von Elon College, North Carolina.

Ich hatte nicht erwartet, daß ich selber mir so gut gefallen würde, sondern hatte zumindest stellenweise mit befremdlichen intellektuellen Großspurigkeiten und verbalen Abgehobenheiten gerechnet, wie ich sie aus

späteren Briefen von mir kannte. Hatte da schon des öfternen Gefühle wie John Updike, der sich selber als junger Mann mitunter als unsympathischen Schnösel empfand.

Aber in diesem persönlichen und biographisch höchst bedeutungsvollen Brief bin ich mir nah und kann mir gut folgen. Ich merkte es daran, daß sich beim Lesen nur ein einziges Mal, kurz vor Schluß des 12seitigen Berichts der Impuls in mir regte, mir selber dazwischen zu reden und zu widersprechen. "Allzugroßen Spaß macht mir die Sprache nicht. Ich finde sie arm, aber vielleicht gilt das nur für den reduzierten code, in dem sie sich hier präsentiert". Was heißt hier vielleicht, dachte ich hier, natürlich ist es so, junger Mann, du kannst doch nicht ernsthaft am Reichtum der englischen Sprache zweifeln!

Ansonsten berichtet in diesem Brief ein Friedensdienst-Freiwilliger über seine Situation, nachdem er frisch in einem US-amerikanischen Kinderheim angekommen ist, wo er, zum ersten mal weg von Eltern und Zuhause, die nächsten 14 Monate tätig sein soll.

Wenn ich diese erste Zeit an mir vorüberziehen lasse, "kommt es mir vor, als blätterte ich in einem Bilderbuch aus Tausendundeine Nacht - so viele neue, fremde, eigenartige Eindrücke, so wenig, daß die Aura des Altvertrauten, Selbstverständlichen trägt. Am interessantesten ist mir, meine eigene Reaktion auf meine Situation hier in Elon zu beobachten.

Ich mußte mit einigem Erstaunen feststellen, wie sehr ich abhängig bin, wie wenig Standfestigkeit oder Substanz ich offenbar habe, wie sehr mir all die Fremdheit um mich herum zu schaffen macht, wie sehr ich nach vertrauten Signalen, nach dem Alten im Neuen suche, wie notwendig Anpassung ist.

....Insgesamt betrachte ich es als ungeheuer wertvolle Erfahrung."

Ich berichte von meiner Arbeit in einem Kindergarten. "Manchmal weise ich die Kinder auch zurecht, so wie das übrige Personal es unentwegt tut, aber ich komme mir dabei verdammt lächerlich vor. Für die Kinder bin ich wohl so etwas wie das Gegenteil einer Respektsperson, halt jemand, mit dem Spaß machen kann. Mich selber stört das herzlich wenig, problemtaisch ist, was für eine Haltung die anderen staff members demgegenüber einnehmen werden". Ich bin viel mit Franz, dem anderen Freiwillen aus D, "zusammen, und wir haben uns entgegen der Heimordnung, ein wenig Bier eingelagert". Ansonsten gucke nur "sehr selten in die Röhre, ...gehe viel spazieren, grüble vor mich hin und lese und spiele Gitarre."

Mir gefällt es, daß ich mir als junger Kerl gefalle, und daß ich mich gut wiedererkennen kann. Ich spüre in  meinen Worten so etwas wie einen durchgängigen Kern der Persönlichkeit. In jüngeren Jahren ist so etwas ja noch nicht möglich, und man kann es vielleicht in die ja nicht gerade überfüllte Rubrik "Tröstungen des Alters" aufnehmen.

 

Breivik

Ertappte mich angesichts der Berichterstattung vom Breivik-Prozep in Oslo bei dem Gedanken, daß man ihm den Kopf abschlagen und weltweit im Fernsehen zum letzten Mal zeigen sollte. Ihm gebührt eine Strafe, wie sie bei Leuten wie Ghadaffi, Saddam, Ceaucescu und Bin Laden als angemessen empfunden werden durfte.

Unsere Zivilisation geht mit dem Massenmörder Breivik aber anders um und zeigt, wie er lächelt und weint (beim Anblick seiner elenden Nazi-Symbole), den Gutachtern die Hand schüttelt. Man redet mit ihm, läßt ihn seine Ideologie erzählen. Was er getan hat ist aber so ungeheuerlich, so bösartig und hassenswert, daß das, was er dazu mit nachträglicher Affirmation sagt, zu nichts gut sein kann als den Opfern Hohn zu sprechen.

Fast ein bißchen sehnsüchsvoll dachte ich an frühere Zeiten mit ihren öffentlichen Hinrichtungen, die eine gewisse reinigende Funktion für die Gesellschaft gehabt haben mögen.

Breivik, der feige, elende Mordbube, der sich auf soldatische Ehre beruft, hat der zivilisierten Gesellschaft den Krieg nicht nur erklärt, sondern er hat ihn begonnen.

Es tut sich ein seltsames Vakuum auf, wenn man diese Szenen im Gerichtssaal sieht, wo er lächelt und mit seiner Kleidung und seinem gepflegten Bart nicht schlecht aussieht, vielleicht sogar wie einer, von dem man ein Auto kaufen würde. Er hat ihn nicht verdient, diesen milden Blick. Diese Abwesenheit von Haß. Hassen wir ihn den nicht? Ist er nicht unser Feind?

In der formalrechtlichen und medialen Art, wie wir das verarbeiiten, kommt der Haß nicht vor.

Ich hasse Breivik. Man sollte ihm in seine Zelle einen Strick geben, damit er selber das Notwendige tun kann, um sich aus dieser Zivilisation zu entfernen

 

Don't be a maybe

Eine Zigarettenmarke, die früher nach Freiheit und Abenteuer schmeckte, überzieht die Gegend und wahrscheinlich das ganze Land mit einer groß angelegten Plakat-Kampagne, deren zentraler Gedanke darin besteht, bei dem Wort maybe das may durchzustreichen, so daß nur noch "be" übrigbleibt. Das kommt daher wie ein ontologischer Imperativ, eine Art Aufforderung zum wahren Sein. "Don't be a Maybe!" - "Maybe never wrote a song" - "maybe never fell in love" lauten die verschiedenen Slogans, die jeweils ein ganzes Plakat füllen. Ganz klein unten rechts weist dann jeweils von dem Wörtchen be ein roter Pfeil auf eine Zigarettenschachtel.

Es soll offenbar an Werte wie entschlossenes Handeln und die Realisierung von Träumen und Phantasien erinnert werden. Das kommt zwar auf die Phantasien und Handlungen an, ist aber nicht ganz falsch.

Noch weniger falsch ist aber der wunderbare, in so vielen Sprachen vorhandene Begriff Vielleicht - maybe - peutetre - issos (neugriechisch). Eine Sprache und eine Welt, die dieses Wort nicht hätte, wäre grauenvoll. Es ist hochmenschlich, vielleicht zu sagen und etwas für möglich zu halten und in Erwägung zu ziehen. Ich widerspreche der Firma Marlboro und sage: I am a Maybe and you should be one too. Denn Maybes haben sich sehr wohl wohl verliebt und Lieder geschrieben, nachdem sie es nämlich vorher für möglich gehalten hatten. Und sie werden es - vielleicht - wieder tun.

Der Begriff Vielleicht, gegen den sich die plumpe Polemik dieser Werbekampagne richtet, birgt mehr  Freiheit und Abenteuer in sich als mancher andere. Und ich werde keine Marlboro rauchen. Auch nicht vielleicht

 

Der Jeden-Tag-Gedanke

Ehe das erste Quartal 2012 schon wieder zu Ende geht, endlich mal wieder ein Tagesgedanke. Wieso hab ich so lang nichts mehr zu Bildschirm gebracht? Nein, daran daß ich keine Gedanken gehabt hätte, lag es nicht.

Nicht selten habe ich gedacht: das gibt einen schönen Tagesgedanken, den schreibst du auf. Und immer wieder hab ich es nicht geschafft, über diese hohe Schwelle in das Haus des Schreibens einzutreten.

Die Schwelle, sich zum Schreiben hinzusetzen, ist sowieso schon hoch, weil man dabei einer so gnadenlosen Selbstkritik unterliegt und unterliegen muß, denn nur so kann das Geschriebene Qualität gewinnen. Wer denkt, um zu schreiben, sieht sich einer inneren Flut von mittelmäigen Einfällen und naheliegenden Formulierungsmöglichkeiten ausgesetzt. Nur wenn er diesen widersteht und Wort für Wort um die Nuance und den besonderen Ausdruck kämpft, können seine Sätze gut werden.

Und dann kommt bei den Tagesgedanken auch noch der kaum vermeidbare, schwierige Anspruch hinzu, die Sache "fertig" werden zu lassen, irgendwie abgerundet, stimmig, schlüssig, ein kleiner Inhalt in einer kleinen, ihm gemäßen Form.

Ich versuche es etwas leichter zu nehmen, das Fragmentarische zu akzeptieren, mir selber, wenigstens für einige Zeit, möglichst häufig Tagesgedanken abzuverlangen, schon um des Selbstversuches willen. Ein Tagesgedanke darf auch eine Notiz vom Tage sein, sogar so etwas wie eine Eintragung ins Tagebuch. Traumziel wäre der Jeden-Tag-Gedanke.

 

Anti-Rutsch

Nun hören wirs wieder aus vielen Kehlen wie vor dem Ende eines jeden Jahres:

man wünscht uns einen "guten Rutsch!" Aber was will er uns eigentlich sagen, dieser unsäglich abgegriffene, aber bisher offenbar unverwüstliche Wortwitz.

Buchstäblich ins neue Jahr rutschen könnte man auf einer Rutschbahn oder of Skiern oder Schlitten. Und manch einen hat ein schlechter Rutsch in der Neujahrsnacht - sei es zu Fuß oder mit dem Auto - das Leben gekostet.

Die Volksseele meint es wohl in einem übertragenen Sinn und auch ein bißchen ironisch-augenzwinkernd, wenn sie uns einen guten Rutsch wünscht. Sie meint das Feiern in der Silvesternacht, das soll leicht und rund laufen und ruhig auch ein bißchen abwärts (wie es ja zum Rutschen irgendwie dazugehört), da soll man ruhig mal fünfe gerade sein lassen und aus dem Rutschen eine gute Sache machen, da dürfen vielleicht auch ein bißchen Alkohol und Sex mit im Spiel sein.

Mag sein, mag sein. Mir jedenfalls hängt diese abgedroschene Floskel zum Hals heraus, und ich habe keine Lust mehr, gute Miene dazu zu machen. Ich kündige hiermit. Das ist ein Fall für die Sprach-Guerrilla.

Ich halte ab sofort dagegen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, liebe Leser dieser Zeilen, daß Sie auf Ihrem Weg ins Neue Jahr auf keinen Fall ausrutschen sondern aufrechten Ganges und munteren Sinnes die Grenzlinie überschreiten!

 

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green light

Hallo, liebe Autoindustrie, jetzt aber bitte mal aufgepaßt! Ich habe eine Super-Idee für euch, eine flächendeckende Innovation für alle Typen und Modelle, ein Wachstumsschub, der andere Branchen vor Neid erblassen lassen wird.

Dabei ist die Sache weder kompliziert noch aufwändig. Ihr installiert ganz einfach vorne in der Mitte des Kühlers von euren Autos ein grünes Licht, genau zwischen den beiden Scheinwerfern und Blinkleuchten. Und dieses Licht ist schlicht und einfach dazu da, den anderen Verkehrsteilnehmern zu signalisieren, daß man ihnen den Vortritt läßt. Steht beispielsweise ein Fußgänger wartend am Zebrastreifen und sieht das grüne Licht auf der Schnauze eines nahenden Autos, dann weiß er, der bremst ab und läßt mich die Straße überqueren. Er muß nicht erst bange beobachten, ob der Fahrer wirklich bremst, und er muß nicht rätseln, wie die Lichthupe, die da vielleicht betätigt wird, gemeint sein könnte. Denn die Lichthupe kann sowohl "Ich laß dich!" als auch "Laß mich!" bedeuten. Dieses neuartige grüne Licht wäre dagegen das erste und bisher einzige eindeutig freundliche, sozial intelligente Signal, das von Autos ausgehen könnte.

Es müßte technisch so gestaltet sein, daß man es nicht dauerhaft anschalten kann (und möglicherweise vergessen, was gefährlich werden könnte). Wie die Hupe müßte es nur so lange aktiviert sein, wie der Fahrer aktiv drauf drückt, aber eben nicht zum warnen und schimpfen, sondern zum ermutigen und "Bitte sehr, Sie sind dran!" sagen. Auch wenn es ein bißchen übertrieben klingt, schlage ich vor, dem Ding einen zündenden, griffigen und vielleicht pädagogisch wertvollen Namen zu geben: Liebes-Hupe.

 

edr rtr annihr sed dr

reinliche Windeln

"O seht in der Krippe.....in reinlichen Windeln das himmlische Kind, viel schöner und holder, als Engel es sind", heißt es in der zweiten Strophe von "Ihr Kinderlein kommet". In reinlichen Windeln! Ist das nicht ein Knüller?

Bei Jesus war nicht nur die Empfängnis unbefleckt, sondern auch die Windeln.

Schöner und holder als Engel kann man in voll geschissenen Windeln allerdings auch kaum sein.

Bei Engeln kann man sich eigentlich überhaupt nicht vorstellen, daß sie aufs Klo gehen. Und bei Jesus? Warum hat er die reinlichen Windeln denn überhaupt angehabt?

Das Lied könnte ja auch sagen"es braucht keine Windeln, das himmlische Kind....".

Vielleicht wollten seine Eltern beweisen, daß ihr Sohn schon als Baby ein kleines Wunder vollbrachte.

 

 

dialogannahme

Dialogannahme 1,2 und 3 - so heißen drei Boxen in meinem Autohaus, und heute habe ich mein Auto vor die "Dialogannahme 2" gefahren, um für eine fällige Inspektion einzuchecken. Ach, ich wußte ja, daß die Verheißung, die für mich in dem Begriff "Dialogannahme" aufklang, sich nicht erfüllen würde. Denn was folgte, war ein Gespräch über mein Auto mit einem Vertreter des Autohauses. Dieser Dialog war strukturell stark geprägt durch sein Bestreben, mir klar zu machen, daß die Kosten ziemlich hoch sein würden, und durch meine eher halbherzigen und kleinlauten Versuche, sie vielleicht doch noch etwas zu drücken.

Bei mancher Audienz beim Papst mag es dialogischer zugehen als in an diesem Schreibtisch. Oder eigentlich war es ein bißchen wie eine Audienz. Denn während ich den Automann anschaute (in ungeduldiger Erwartung, mit dem Abliefern zur Inspektion endlich fertig zu werden) schaute der Automann in seinen Bildschirm, der wie Gott war, und von dem ich, was bei Gott vielleicht gar nicht so schlecht ist, nur die Rückseite sah.

Der Automann entnahm dem fast allwissenden Bildschirm immer neue Fragen an mich: Wischerblätter austauschen? Getriebeölwechsel? Frostschutz? Letzte Inspektion versäumt? TÜV auch bald fällig! usw.

Der freie und ergebnisoffene Meinungsaustausch selbstbestimmter Subjekte - daß solche "Dialoge" überall angenommen und möglich gemacht werden, wäre eine gesellschaftliche Utopie. Das Gespräch im Autohaus hatte davon aufgrund seines knallharten materiellen Bezugs nicht viel, aber wer wollte es den Autohaus-Leuten verdenken, daß sie diese Sache nicht "Kostenhochtreibungsbude" sondern  "Dialogannahme" nennen?

 

 

 

homo loquax

Homo loquax,

der geschwätzige Mensch, oder, falls ich da noch nicht mit meinem Latein am Ende bin, homo loquiens (?) - der redende Mensch. Weniges scheint mir für den Mensch der  Gegenwart so kennzeichnend wie das viele reden. Der Mensch, glaube ich, redet nämlich taftäglich viel mehr, als zur Klärung von Sachverhalten, zur Lösung von Problemen und Meinungsverschiedenheiten und zur Koordinierung von planvollen Handlungen notwendig wäre.

Es gibt viel fragwürdige Motivation fürs Reden: die selbstgefällige Spiegelung, das sich Festhalten an irgendeinem Standpunkt, die Flucht vor dem, was ist, in das, was man sagt, das sich Hineinsteigern in beliebige Aufregungen und Emotionen, das sich Herablassen von der höheren Warte dessen, der den Überblick hat und Menschen und Dinge, Szenerien und Meinungen bewertet.

Warum fällt erwachsenen Mesnchen, wenn sie gesellig zusammenkommen, selten etwas anderes ein, als zu reden? Warum sind wir so arm an anderen Möglichkeiten der Kommunikation und kommen kaum auf die Idee, das oft so schleppende, belanglose, selbstgefällige, witzlose Gerede zu vermeiden und zu ersetzen durch Tanzen, Musizieren, Theater spielen, körperlich sein?

 

pausieren oder frieren?

Fror unlängst bei Minusgraden an einer Bushaltestelle vor Frankfurts Hauptbahnhof volle zehn Minuten mit bald zwanzig anderen Passagieren in spe, obwohl der beheizte Bus schon etwa 50 Meter entfernt auf der anderen Seite des Vorplatzes stand. Der Fahrer saß zwar drinnen, doch er bestand auf seiner planmäßigen "Pause" von soundsoviel Minuten. Wofür auch immer er die Pause nutzen wollte, vielleicht lesen, essen, Musik, hören oder nachdenken - er wollte es jedenfalls ohne Fahrgäste im Bus tun.

Kann hier nicht das Verfassungsgericht eine Abwägung treffen und uns sagen, was schwerer wiegt: das Recht eines einzelnen Busfahrers auf eine lupenreine, arbeits- und störungsfreie Pause, oder das Recht von zwanzig Fahrgästen, sich bereits vor dem Beginn der Busfahrt ein wenig aufzuwärmen (wobei ja die Behelligung des Fahrers auf ein Minimum reduziert werden könnte)?

 

patriot der erde

Mir gefällt der Gedanke, ein Erdpatriot zu sein, der eigentlich seinen Heimatplaneten Mutter Erde eher lieben kann als sein Vaterland. Erdpatriot hört sich in meinen Ohren besser an als "Kosmopolit" oder "Weltbürger". Aber das Bekenntnis zu etwas, dem man ja doch nicht entrinnen kann und das man keineswegs frei gewählt hatf, ist nicht sehr überzeugend. Und ein Mensch, der über seine Liebe zur Erde spricht, muß sich wohl ehrlicherweise oder "erstmal" auf seine eigene Spezies beziehen, die unserem Planeten so sehr zugesetzt hat.

Wenn er meint, seinen Erdpatriotismus dadurch zeigen zu können, daß er die Erde möglichst flächendeckend bereist und kennenlernt, muß sich sagen lassen, daß er unserer Erder eher durch den Verzicht auf diesen Energieverbrauch einen Gefallen tun könnte. Oder er muß um die Erde segeln, radfahren oder wandern.

 

Behendigkeit

Als ich in der S-Bahn dabei war, mein Fahrrad und mich selbst in eine zum Aussteigen geeignete Position zu bringen, kam ich durch das ungleichmäßige Abbremsen des  Zuges kurz in eine instabile Lage. Mit beiden Händen am Fahrradlenker, machte ich in diesem Moment eine Reihe von winzigen Schrittchen, vielleicht drei- oder viermal pro Sekunde von einem Fuß auf den anderen tänzelnd, tippelnd. Nachdem ich mit dieser kleinen Aktion vollen Erfolg gehabt hatte und mit einer gewissen gefühlten Eleganz ausgestiegen war, dachte ich: hoffentlich hat da keiner zugeschaut, das sah wahrscheinlich überhaupt nicht elegant aus, sondern taperig und ältlich, fast greisenhaft.

Mit zunehmendem Lebensalter habe ich eine gewisse ganzheitliche Geschicklichkeit und Körperbewußtheit hinzugewonnen. die mich immer wieder erfreut. Ich verrrenke und verkrampfe und verstolperte mich viel weniger als in jüngeren Jahren. Ich behalte den Überblick und ein gutes Gefühl für das Tempo und den Spannungsbogen von körperlichen Bewegungsabläufen und Handhabungen. Behendigkeit ist ein schöner Begriff dafür. Es gibt so etwas wie eine Alter-Behendigkeit, durch die ältere Menschen den jungen korperlich durch ihre reichhaltige Lebenserfahrung mit dem eigenen Körper überlegen sein können. Das ist in einer Zeit, wo die geistigen Erfahrungen und die "Weisheit" nicht mehr sehr hoch im Kurs stehen, ein kleiner Trost des Alters.

 

überholt werden

Immer öfter passiert es mir, daß ich auf meinem Fahrrad von anderen Fahrradfahrern überholt werde, oft überraschend, ziemlich flott und ein bißchen gefährlich, denn auf die Idee, sich durch ein Klingeln von hinten kommend anzukündigen, kommt kaum jemand.

Und dann überhole ich selbst im Auto Radfahrer, die aufreizend langsam fahren, weil sie, wie der Blick zurück zeigt, schon so alt sind. Manchmal fahren sie so langsam, daß man beinah befürchtet, sie könnten auf ihren zwei Rädern umfallen. Und dann denke ich: in den Augen der anderen bist du jetzt wohl auch so ein alter Sack, der nur schleichend vorwärtskommt.

Alt werden heißt Abschied nehmen. Immer länger wird die Liste der Dinge, bei denen ich mir sagen muß: das geht nicht mehr, das kannst du nicht mehr, das ist nicht mehr deinem Alter gemäß: nach 22 Uhr noch aus dem Haus gehen, Badminton spielen, Scuba-diving, Pantomime lernen...

Tröstlich ist der Gedanke,  in diesem Abschiednehmen ein Moment von Veränderung und Begrüßung von etwas Neuem zu sehen.

Wegfallende Wichtigkeiten und Gewohnheiten schaffen Platz für Neues. Langsameres Fahrradfahren ist ein Stück Entschleunigung und eine Chance für etwas, das die jungen, schnellen Leute, die einen überholen, kaum verstehen können: Beschaulichkeit.

 

in eicheln eingelegt

Kaufte heute hundert Gramm Serrano-Schinken und sagte dazu wie immer:"Bitte dünn geschnitten!"

Doch diesmal bekam ich von der jungen Dame hinter der Wurst-Theke in etwas pampigem Ton die Antwort:"Der wird immer dünn geschnitten, sonst schmeckt er nicht!" Und diese besser aussehende und weniger Fett-durchwirkte Sorte, auf die ich deutete, sei "in Eicheln eingelegt" und deshalb etwas teurer. Während sie, um die 100 g auf die Waage zu bringen, erstaunlich viele Scheiben von dem Schinken herunterschnitt, dachte ich, daß meine gewohnheitsmäßige, schon hundertmal geäußerte Bitte um dünne Scheiben vielleicht sinnlos war, weil der Schinken deswegen kein bißchen anders, sondern genauso dünn geschnitten wurde wie sowieso immer. Aber als sie fertig war, schnitt ich aber nicht nochmal dieses Reizthema an sondern fragte nach der erstaunlichen, anderen Eigenschaft des Schinkens:"In was eingelegt, sagten Sie?"

Darauf sie, sich abwendend und etwas vernuschelt, wohl leicht verunsichert und nicht festgenagelt werden wollend:

"In Eicheln". Da schaltete sich ihre Kollegin ein und klärte die Sache auf:"Nein, die Schweine werden mit Eicheln gefüttert".

Ach so. Da kann ich nur noch uns beiden einen guten Apppetit wünschen, den Schweinen und mir.

 

Lebensnähe

Lebensnähe

Endlich ist mir ein Wort, ein Oberbegriff für die Tätigkeit eingefallen, die fast alle von uns heutzutage gut kennen: vor dem Computerbildschirm sitzen.  Schon länger suchte ich nach einem allgemeinen und treffenden Ausdruck hierfür. Er sollte das Dasein vorm Computerbildschirm deutlich von etwas anderem unterscheiden, wofür unsere Sprache in den 1920er oder 30er Jahren ein neues Wort (er)finden mußte und fand: fernsehen.

Am Computer kann man auch "fernsehen", aber im Kern kommuniziert man dort mit Hilfe von Maus und Tastatur viel mehr und viel interaktiver, als man es am TV-Bildschirm könnte. Man kommuniziert mit Menschen, Programmen, Spielen usw. Das herkömmliche Fernsehen kann zwar zu einem grossen Lebensinhalt werden, aber kein Mensch würde auf die Idee kommen, es mit dem richtigen Leben zu verwechseln. Das ist beim chatten, spielen, surfen am Computer anders.

Deshalb schlage ich dafür zur spezifischen Abgrenzung gegen das fernsehen das Wort fernleben vor.

U enkern ist

halbe gespräche

Auffallend häufig erlebte ich jüngst in der S-Bahn die halben Gespräche von Mitpassagieren, die sich über ihre Handys lange und laut mit weiß Gott wem unterhielten. Zunächst fühlte ich mich beim Lesen gestört und spielte schon mit dem Gedanken, diese Leute zu ermahnen, sich zum Handy-Quatschen doch bitte in irgendeine möglichst wenig bevölkerte Ecke zurückzuziehen, um die von ihnen ausgehende Belästigung zu vermeiden oder wenigstens zu minimieren. Aber dann dachte ich an meine Maxime, statt mich zu ärgern, besser das Beste aus dem Schlechten zu machen. Und ich begann, diese Sätze, Antworten und halbierten Dialoge als eine Art geistigen Striptease zu empfinden, als freimütig gewährten Einblick in ein völlig fremdes Leben, Denken und Fühlen.  Die Persönlichkeiten schienen sich hier deutlich schneller und entschlossener zu entblättern als durch ihre Physiognomie oder ihren Gang.

Ich versuchte, die jeweiligen Äußerungen des telefonischen Gegenübers zu erraten und zu ergänzen. Als dann sowohl zu meiner Linken als auch zu meiner Rechten solch ein halbes Gespräch ertönte, stellte ich mir vor, die beiden - eine Frau und ein Mann - redeten miteinander, was stellenweise erstaunlich gut paßte. Es war eine ungewöhnlich amüsante S-Bahn-Fahrt. Als ich aussteigen mußte, war ich fast versucht, mich mit Dank und Handschlag von den Akteuren zu verabschieden.

 

von Pfützen und Füßen

Heute früh auf dem Weg ins Büro fiel mir folgender fonesische und gereimte Satz ein, eigentlich ein Epigramm:

Wer durch frische Pfützen flitzt, kriegt leicht die Füße naß gespritzt.

Ein sehr handfester, am eigenen Leibe erfahrener Tagesgedanke war das, fast zu wahr, um schön zu sein. Und doch wiederum nur halb wahr, den flitzende Autofahrer haben dieses Problem nicht.

Rätselfrage: womit mag der gefahren sein, dem diese Verse fielen ein?

 

 

Himmelslinienblick

- Büros mit "Skylineblick" zu vermieten - las ich heute früh aus dem Auto in riesigen Lettern auf einem Plakat, wohlgemerkt: Skylineblick mit Anführungszeichen "Skylineblick".

Bemerkte schon öfter die Tendenz des Zeitgeistes, die Gänsefüßchen zum Zeichen der Hervorhebung und Betonung von Worten verwenden, nicht mehr als Zitat mit der dazu gehörigen Distanzierung und Neutralisierung, wenn nicht sarkastischen Ironisierung. In diesem Sinne könnte der "Skylineblick" ganz im Gegensatz zu der beabsichtigten Werbebotschaft ungefähr bedeuten: sie nennen es "Skylineblick", wenn du auf einer Leiter und an die Wand gequetscht einen Blick auf ein Zipfelchen Skyline ergattern kannst.

Für das zeitgenössische Sprachdesign-Gefühl, werden die distanzierenden Gänsefüßchen zu beliebig verwendbaren Schnörkeln der effektvollen Präsentation. Hier kann man life mit dabei sein, wie eine sprachliche Bedeutung, ähnlich wie bei dem Wörtchen "genau", in ihr glattes Gegenteil umschlägt.

 

utoya

Ein rechtsradikaler, fundamentalistischer "Christ" war es also, der auf einer norwegischen Insel ein Massaker angerichtet hat, das alle Rekorde bricht. Nicht viel weniger als hundert Teenager hat dieses Monster mit einem wahnsinnigen Gefühl des Rechthabens in seinem kranken Hirn erschossen.

Eine unfaßbare und kaum sühnbare Schande ist diese Tat, für die es eigentlich weder in der Natur noch in der Zivilisation einen Platz gibt.

Dass dieser Terrorakt politisch gesehen von rechts kam, gießt wenigstens kein neues Öl ins Feuer des weltumspannenden Kulturkampfes zwischen den Werten des Westens und dem Islamismus.

Aber im Kern faschistisch sind eigentlich alle diese Greueltaten, seien es Amokläufe oder Anschläge auf U-Bahnen oder Gebäude wie das World Trade Center. Sie sind der extrem übersteigerte Ausdruck dessen, was nach einer verblüffend einfachen Definition das Wesen des Faschismus ist: die Herrschaft einer Minderheit über eine Mehrheit.

 

Heuschrecken-Kommunikation

Heuschrecken-Kommunikation

Eine sehr grüne, etwa wespengroße Heuschrecke hatte heute auf der Windschutzscheibe meines Autos außen und in Augenhöhe auf der Fahrerseite Platz genommen. Als ich losfuhr, dachte ich, daß sie vom Fahrtwind rasch wegefegt würde, aber dem war nicht so. Halb klammerte sie sich fest, halb wurde sie während der Fahrt an die Scheibe gedrückt und blieb vollkommen reglos. Nur immer, wenn wir an einer Ampel standen, wurde sie aktiv, putzte und streckte sich wie eine Katze und begann auch schon zu laufen. Einmal fuhr ich vor der Ampel schon so weit wie möglich vor, um das Insekt, zu dem der Name Grasmücke gut passen würde, noch eine Weile dadurch festhalten und weiter beobachten zu können. Zu dem ästhetischen Teil meines Motivs konnte ich noch einen moralischen hinzufügen: im dichten Straßenverkehr hätte er/sie/es beim Verlassen der Frontscheibe leicht unters Auto kommen können. Und der Einsatz des Scheibenwischers, den ich an einer relativ geeigneten Stelle kurz in Erwägung zog, wäre für sie oder ihn lebensgefährlich gewesen. So kam der kleine Grüne Grashüpfer mit bis zu meinem Fahrtziel. Aber dort war ich gleich anderweitig beschäftigt und vergaß das, was ich eigentlich zu tun vorgehabt hatte: ihn oder sie noch eine Weile von außen zu beobachten, vielleicht bis zu ihrem happy-endgültigen Absprung oder Abflug.

 

Angela in Angola

Jetzt ist sie in Angola,

unsere Angela

ist wegen dem Öl da.

unsere Angöla.

 

Endlich mal wieder ein Polit-Wortspiel!

Vielleicht sollte ich die "Tagesgedanken" in Tagesnotizen um taufen.

Da paßt alles drunter: Einfälle, Entwürfe, Tagebucheintragungen, auch

Zitate. Hoffentlich kann ich durch diese Öffnung die Regelmäßigkeit und Häufigkeit

etwas steigern.

 

Menhire

Der "Grand Menhir brise" von Locmariaquer in der Bretagne ist (mir) allemal einen Tagesgedanken wert. Ich war vor einer Woche dort und nachhaltig beeindruckt von diesem gewaltigen, fast 20 Meter langen und 280 Tonnen schweren länglichen Granitblock, der umgefallen und in vier Stücke zerbrochen ist. Um das Jahr 4500 vor unserer Zeitrechnung wurde er heutigen Untersuchungen zufolge dorthin geschafft und aufgestellt, um das Jahr 4200 ist er umgefallen oder umgestürzt worden. Von den vier Teilen, die nach oben immer schmaler und kürzer werden, liegen die drei oberen in der einen Richtung, während der unterste, schwerste und größte in einem Winkel von etwa 150 Grad fast in die entgegengesetzte Richtung gefallen ist.

So liegen sie da seit über sechstausend Jahren und geben Rätsel auf. Können die C14-Analysen tatsächlich diese Differenz von 300 Jahren ausmachen, oder kann dieser wohl größte aller Menhire vielleicht schon bei dem Versuch, ihn aufzustellen, umgefallen und zerbrochen sein? Liegt er da als ewiges Symbol und Mahnmal menschlichen Scheiterns. Oder hat ihn ein Erdbeben zu Fall gebracht, wofür wohl, wie ein Animationsfilm zeigt, die eigenwillige Lage spricht?

Und natürlich: wie können Obelix' Vorfahren das überhaupt geschafft haben? Aber der Gedanke an die brutale Machtausübung und Versklavung von Menschen, die vielleicht dahintersteckt oder sozusagen drin steckt, soll nicht mein letzter sein. Mein letzter Gedanke für heute ist ein Gefühl: ich liebe sie, diese Menhire.

 

Zwischen Stühlen

"Zwischen den Stühlen schwebend", schrieb mir neulich jemand in einer mail und gab mir einen schönen Gedanken für den Tag. Wenn man sich denn schon in mancher Hinsicht zwischen Stühlen befindet, so muß man ja nicht unbedingt versuchen, dort zu sitzen.

Das könnte leicht schwierig und unbequem werden und auf de Dauer darauf hinauslaufen, daß man zwischen den Stühlen steht oder liegt. Wieso sagen wir eigentlich nicht "zwischen den Tischen stehen" oder "zwischen den Betten liegen"?

Wer zwischen Stühlen steht, wartet wohl darauf, daß ein Stuhl frei wird. Wer es aber schafft, zwischen Stühlen zu schweben, ist am besten dran. Sie schaut sich die ganze Szene in aller Ruhe an und denkt sich ihren Teil.

 

Dauerhaftes Bauschvolumen

Auf der Verpackung eines Kopfkissens, an welchem ich auf der Suche nach Kissenbezügen in einem Kaufhaus vorbeikam, wurde dieses für

sein "dauerhaftes Bauschvolumen" angepriesen. Selten hat mich eine verbale Blüte so inspiriert wie diese. Ein dauerhaftes Bauschvolumen zu haben, scheint mir nicht nur für Kissen, sonder auch für Menschen, Seelen, Persönlichkeiten, Inividualitäten, Bewußtseine, Gemüter wünschenswert.

Das Wort bauschen ("...du bauschst", steht im Duden) verdient aufgrund seiner immateriellen, metaphorischen Dimension, eine weniger unfreundliche und knappe Behandlung, als sie bisher in dem pejorativen "aufgebauscht" enthalten war. Was bleibt uns denn im Leben anderes übrig, als zu bauschen und dadurch Raum und Luft und Form zu erlangen? Sind wir denn nicht wie Kissen, die ihre Form, nachdem sich jemand drauf gesetzt oder gelegt hat, zurück gewinnen wollen und sollen?

In diesem Sinne wünsche ich dir oder Ihnen, lieber Leser, heute kein "schönes Wochenende" sondern ein dauerhaftes Bauschvolumen. Das ist nachhaltiger. Aber bitte schaumgebremst.

r

würde

Die Würde des Menschen ist unantastbar, lautet Artikel Eins unserer Verfassung. Wieso, frage ich mich, hat man hier das ansonsten kaum verwendete Adjektiv "unantastbar" gewählt? Man wollte doch wohl sagen: diese Menschenwürde ist unser höchstes Gut, sie darf nicht verletzt, beschädigt, beieinträchtigt werden, der Staat und die Rechtsordnung sind zu ihrem Schutz da.

Das Antasten von etwas ist ja zunächst einmal nichts Böses, sondern ein menschlichess Grundverhalten, ein Bedürfnis der Orientierung und der Verbindung, unsere früheste, körperlichste, elementarste, erotischste Sinneserfahrung.

Nach etwas zu tasten, muß keineswegs bedeuten, daß man es verändern oder gar zerstören will. Man möchte das angetastete Objekt erfahren, erspüren, erleben. Dem ist die Menschenwürde enthoben, sie darf nicht befingert und befummelt und in Frage gestellt werden. Aber dürfen wir sie nicht insoweit antasten, um herauszufinden, ob ihre Kanten und Konturen mit so mancher realen Zeiterscheinung vereinbar ist?

 

Abschreckung

Ich erschrecke bei dem Gedanken, daß meine sporadischen, leicht und schnell und flockig formulierten Tagesgedanken Besucher meiner Website abschrecken könnten. Das man dadurch gar nicht erst auf die Idee kommt, weiterzuklicken, weil man sich sagt: noch mehr von solchem Zeug brauche ich nicht, und tschüss. Lieber Leser, oder soll ich Klicker zu dir sagen, bitte glaube mir, es verbirgt sich unter den Menüpunkten dieser Webseite  so manches bunte nach Form und Inhalt, demgegenüber du ruhig neugierig bleiben und dich nicht, im Gegenteil von neugierig, altsatt abwenden solltest. Cheers, a new word is born: altsatt.

 

schadensregulierung

"Weg mit Schaden", sagte unlängst ein Bekannter und meinte damit sein Verhältnis zu ehemaligen Mietern, die eine Wohnung deutlich später und anders, als er es sich gewünscht hatte, geräumt und dem Eigentümer zurückgegeben hatten.

Weg mit Schaden, diese Kürzest-Formel, die wie eine Bildzeitungs-Schlagzeile klingt, scheint mir ein Stück Lebensweisheit zu enthalten. Es hat keinen Sinn, den Schaden, den man erlebt und erlitten hat, immer und immer weiter mit sich herumzutragen. Wozu? Um einen Grund zu haben, über den, der den Schaden verursacht hat.

schlecht zu reden und zu denken? Um aus dem Schaden klug zu werden und seinesgleichen in Zukunft abzuwehren und zu vermeiden?

Das kann und soll man versuchen, aber es wird schwierig werden, denn man kann vor lauter Schadensabwehr die Fähigkeit verlieren, das Leben hereinzulassen und sein Herz zu öffnen. Die schlechten Erfahrungen, die wir gemacht haben, dürfen uns nicht vom machen guter Erfahrungen abhalten. Es ist gut, vergessen und verzeihen zu können. Sonst kann aus dem vergangenen Schaden, der passiert und nicht mehr zu ändern ist, ein langer Schatten werden, der weit in eine sonnenarme Zukunft reicht.

 

Tages-Gedanke 24.03.2011

Ein Aphorismus

ist mir mal wieder eingefallen, aber ich bin mir noch nicht sicher

über seine endgültige Formulierung. Ich werde also jetzt "laut" denken,

formulierend und Möglichkeiten erwägend. Here we go:

Manche Schiffe hören auf zu sinken, wenn die Ratten sie verlassen haben.

Manche Schiffe, wenn die Ratten sie verlassen haben, hören sie auf zu sinken.

Manche Schiffe hören auf zu sinken, sobald, weil, obwohl, dadurch daß....

Manche Ratten retten Schiffe, indem sie sie verlassen.

Manche Schiffe sinken nur, weil die Ratten sie noch nicht verlassen haben.

Manche Ratten verlassen Schiffe, um ihr sinken zu verhindern.

O Gott, ich kann mich nicht entscheiden in diesem Dickicht von Akzenten und Aspekten.

Dann lassen wirs halt dabei und mutem dem Leser die Qual der Wahl zu. Schillernder

Beziehungsreichtum - das ist ja gerade das Schöne an Aphorismen.

 

 

 

Tagesgedanken 18. März 2011

Kaufte mir eine backup-Festplatte zur Sicherung meiner Festplatte mit 1 Terabyte Speicherkapazität. 1000 Gigabyte also. Obwohl das schon ziemlich viel und sicher mehr als genug für ein Lebenswerk als Textmenge ist, fragte ich mich, ob und wie es danach wohl weitergeht.

Google gab mir auf die Begriffe "Terabyte" und "nächstes" die Antwort:
1000 Terabyte sind ein Petabyte. Und weiter? 1000 Petabyte sind ein Exabyte, 1000 Exabyte wiederum ein Zettabyte und 1000 davon ein Yottabyte. Ein Yottabyte sind eine Billion Gigabyte.

Rein sprachlich sind wir auf wahrhaft unvorstellbare Datenmengen bestens vorbereitet (emotional wohl weniger). Nach Yotta kommen, jeweils mal tausend, folgende vorsilben vor die Bytes:

Xona-, Weka-, Vunda-, Uda-, Treda-, Sorta-, Rinta-, Quexa-,Pepta-, Ocha-, Nena-, Minga-, Luma-.

Ein Lumabyte, das wären 10 hoch 63 oder auch eine Deziallarde Byte. Uff!

Tagesgedanken

Simulation scheint mir ein Schlüsselbegriff für das Verständnis unserer Zeit zu sein. Wir sind umgeben von Simulationen des Lebens wie nie zuvor, wir können uns jederzeit das geliebte, gefürchtete Leben in ungezählten Facetten vor Augen und Ohren führen: Abenteuer, Liebe, Glück, Gefahr, Erfüllung, Scheitern, verwelken und blühn.

Es gibt nichts, was nicht simuliert werden könnte, keine Stimmung, kein Gespräch, kein Sternenhimmel, kein Gefühl.

Außer: das gelebte Leben selbst, von innen sozusagen. Das Freie.

Das frei gewachsene Bewußtsein und Gefühl von sich selbst und von anderen ist nicht simulierbar, Individualität und Persönlichkeit können gespielt und insofern simuliert werden. Aber Eigensein und Selbstheit entziehen sich jeglicher Simulation

Mehr noch: ein zu großer Konsum von Simulationen verhindert eigene Entwicklung.

Der dialektische Gegenbegriff zu Simulation wäre Freiheit. Simulation ist wesentlich auch Manipulation und Fremdbestimmung, aber durch neue Technik als Spiel, Interaktion, Dialog mit dem Schein der Freiheit versehen.

Auf dem Weg zu sich selbst sind die Simulationen ein Wald von Wegweisern, die sich unendlich widersprechen und deren Zusammenspiel keinen Sinn ergibt. Den kann der Wanderer nur in sich selbst finden.

 

 

27.02.2011 warum nicht guttenbergieren?

Das, was Guttenberg getan hat, rührt an ein so allgemeines

menschliches Verhalten (man mag an das Abgucken und Vorsagen

in der Schule denken), daß seine hohen Sympathiewerte in der

Bevölkerung bisher kaum Schaden nehmen. Viele fragen in den Medien,

ob das Erschwindeln eines Doktortitels (den man ja als handfestes

Wirtschaftsgut sehen) als allzumenschliche Schummelei bagatellisiert

werden darf.

Jedenfalls schlägt die Affäre so hohe Wellen, daß Guttenbergs Name große

Chancen hat, zum geflügelten Wort zu werden, ja vielleicht sogar zu einem

eigenständigen Tätigkeitswort der deutschen Sprache. "Da mußt du einfach

einen doppelten Guttenberger machen, dann ist die Sache geritzt" -

Oder "Promovieren oder guttenbergieren" - das ist die Frage?

Oder als Ultra-Euphemismus für klauen, stibitzen, mopsen, abstauben uä.:

"guttieren", "guttenbergern".

 

 

Kontakt

Peter P. Peters
E-Mail: milchsack@t-online.de

Artist Promotion
Gutleutstraße 294
60327 Frankfurt am Main
Telefon (069) 23 76 27