viel um die Augen
Er oder sie habe viel um die Ohren, sagt jemand, der sich gestreßt fühlt,
überfordert, überladen mit Ansprüchen, Terminen und to-do-Listen. Daß
jemand viel um die Augen habe, käme uns kaum in den Sinn und würde
auch keinen eingängigen Sinn ergeben. Das Hören ist viel näher an unserer
sozialen Natur als das Sehen. Wenn wir viel um die Ohren haben, hören wir
viele äußere und innere Stimmen, die etwas von uns wollen, und sei es nur
eine Antwort. Was wir sehen, kann dagegen leicht mit Distanz, Reserviertheit
und Gleichgültigkeit gesehen werden. Mit einer Stimme oder einer Musik, die
wir hören, ist dies ungleich schwieriger, sie kann viel direkter und unmittelbarer
unser Gefühl ansprechen.
Von unserer Zeit kann man scherlich sagen, daß die Menschen mehr um die Augen
haben als jemals zuvor. Wir werden in einem unglaublichen Maß von stehenden
und bewegten Bildern überflutet, von Bildern, die oft manipulierte und gezielt
abgefeuerte Botschaften sind. Geräusche und Töne können laut oder leise sein,
und wenn die Lautheit überhand nimmt, sprechen wir von Lärm und haben ein
zunehmendes Bewußtsein davon, daß dieser krank machen kann. Aber von einem
visuellen Lärm haben wir (noch) keinen Begriff, obwohl wir wahrhaftig viel um
die Augen haben.